»Der Baum hat uns mehr zugesetzt als wir ihm«, sprudelte es aus Ron heraus.

»Ruhe!«, fuhr ihn Snape an.»Zu meinem gro?ten Bedauern gehort ihr nicht zu meinem Haus, und die Entscheidung, euch von der Schule zu weisen, ist nicht meine Sache. Ich werde jetzt gehen und die Leute holen, die das Gluck haben, dazu befugt zu sein. Ihr wartet hier.«

Harry und Ron starrten sich in die wei?en Gesichter. Hunger hatte Harry keinen mehr. Ihm war jetzt furchtbar schlecht. Er versuchte, nicht das gro?e, schleimige Etwas anzusehen, das da in gruner Flussigkeit auf einem Regal hinter Snapes Schreibtisch schwebte. Wenn Snape jetzt Professor McGonagall holte, die Hauslehrerin von Gryffindor, dann wurde es ihnen kaum besser ergehen. Sie war vielleicht fairer als Snape, aber dafur au?erst streng.

Zehn Minuten spater kam Snape zuruck und tatsachlich in Begleitung von Professor McGonagall. Harry hatte sie schon mehrmals wutend gesehen, doch entweder hatte er vergessen, wie schmal ihr Mund werden konnte, oder er hatte sie noch nie so zornig erlebt. Sie war kaum eingetreten, als sie auch schon ihren Zauberstab hob. Harry und Ron zuckten zusammen. Doch sie richtete ihn nur auf den leeren Kamin, in dem jetzt plotzlich Flammen aufflackerten.

»Setzen Sie sich.«Ron und Harry lie?en sich auf Stuhle beim Feuer nieder.

»Ich wunsche eine Erklarung«, sagte sie mit Unheil verkundend schimmernden Brillenglasern.

Ron sturzte sich in die Schilderung ihrer Erlebnisse und begann bei der Absperrung, die sie nicht durchlassen wollte.

»… also hatten wir keine Wahl, Professor, wir konnten den Zug nicht erreichen.«

»Warum haben Sie uns keinen Brief per Eule geschickt? Ich glaube, Sie haben eine Eule?«, sagte Professor McGonagall mit kalter Stimme zu Harry gewandt.

Harry sah sie besturzt an. Nun, da sie es sagte, schien es das Naturlichste gewesen zu sein.

»Ich… ich habe nicht gedacht…«

»Das«, sagte Professor McGonagall,»ist mir klar.«

Es klopfte, und Snape, gut gelaunt wie sonst nie, offnete die Tur. Herein kam der Schulleiter, Professor Dumbledore.

Harry spurte seinen ganzen Korper taub werden. Dumbledore sah ungewohnlich ernst aus. Er blickte sie entlang seiner sehr krummen Nase an und Harry verspurte jah den Wunsch, die Peitschende Weide moge immer noch auf ihn und Ron einprugeln.

Ein langes Schweigen trat ein. Dann sagte Dumbledore:»Bitte erklaren Sie mir, warum Sie das getan haben.«

Es ware besser zu ertragen gewesen, wenn er sie angeschrien hatte. Die Enttauschung, die in Dumbledores Stimme lag, gefiel Harry uberhaupt nicht. Aus irgendeinem Grund konnte er Dumbledore nicht in die Augen sehen und er sprach statt dessen zu seinen Knien. Er sagte Dumbledore alles, au?er da? der verzauberte Wagen Mr Weasley gehorte, und tat so, als hatten er und Ron ganz zufallig einen fliegenden Wagen vor dem Bahnhof gefunden. Da? Dumbledore diesen Schwindel sofort durchschauen wurde, war ihm klar, doch Dumbledore wollte nichts weiter uber den Wagen wissen. Als Harry fertig war, sah er sie einfach weiter durch seine Brille hindurch an.

»Wir holen unsere Sachen«, sagte Ron mit matter Stimme.

»Was reden Sie da, Weasley?«, blaffte ihn Professor McGonagall an.

»Sie werfen uns doch raus, oder?«, sagte Ron.

Harry warf Dumbledore einen raschen Blick zu.

»Nicht heute, Mr Weasley«, sagte Dumbledore.»Doch ich mu? Ihnen nachdrucklich einscharfen, da? Ihr Handeln ein schwerer Fehler war. Ich werde heute Abend Ihren Familien schreiben. Ich mu? Sie auch davor warnen, noch einmal etwas Derartiges zu tun, denn dann werde ich keine andere Wahl haben, als Sie von der Schule zu weisen.«

Snape sah aus, als ware Weihnachten abgesagt worden. Er rausperte sich und sagte:»Professor Dumbledore, diese Jungen haben die Vorschriften zur Einschrankung der Zauberei Minderjahriger gebrochen und einen wertvollen alten Baum schwer beschadigt… gewi? mussen derlei Taten…«

»Es ist Sache von Professor McGonagall, uber die Strafen fur die Jungen zu befinden, Severus«, sagte Dumbledore gelassen.»Sie gehoren zu ihrem Haus und stehen daher in ihrer Obhut.«Er wandte sich an Professor McGonagall.»Ich muss zuruck zur Feier, Minerva, und ein paar Dinge ansagen. Kommen Sie, Severus, da steht eine kostlich aussehende Senftorte, die ich gerne mal probieren mochte…«

Snape warf Harry und Ron einen Blick zu, der reiner Ha? war, und lie? sich dann von Dumbledore aus seinem Buro geleiten. Nun waren sie allein mit Professor McGonagall, die sie immer noch wie ein Adler auf Beuteflug beaugte.

»Sie gehen in den Krankenflugel, Weasley, Sie bluten ja.«

»Nicht schlimm«, sagte Ron und fuhr hastig mit dem Armel uber den Ri? an seiner Augenbraue.»Professor, ich wollte eigentlich zusehen, wie meine Schwester den Sprechenden Hut aufsetzt -«

»Die Auswahlfeier ist vorbei«, sagte Professor McGonagall.»Ihre Schwester kommt ebenfalls nach Gryffindor.«

»Oh, gut«, sagte Ron.

»Und da wir gerade von Gryffindor sprechen…«, sagte Professor McGonagall scharf, doch Harry unterbrach sie.»Professor, als wir den Wagen nahmen, hatte das Schuljahr noch gar nicht begonnen, also… also sollten Gryffindor eigentlich keine Punkte abgezogen werden, oder?«, schlo? er und blickte sie gespannt an.

Professor McGonagall versetzte ihm einen durchdringenden Blick, doch er war sich sicher, den Anflug eines Lachelns zu erkennen. jedenfalls sah ihr Mund nicht mehr ganz so schmal aus.

»Ich werde Gryffindor keine Punkte abziehen«, sagte sie, und Harry wurde es ganz leicht ums Herz.»Aber ihr werdet beide Strafarbeiten bekommen.«

Das war besser, als Harry befurchtet hatte. Dumbledore wollte den Dursleys schreiben – na wenn schon. Die wurden gewiss nur enttauscht daruber sein, da? die Peitschende Weide ihn nicht zermalmt hatte.

Professor McGonagall hob abermals ihren Zauberstab und richtete ihn auf Snapes Schreibtisch. Mit einem leisen Knall erschienen ein Teller mit belegten Broten, zwei Becher und ein Krug mit eisgekuhltem Kurbissaft.

»Ihr e?t hier und geht dann gleich in euren Schlafsaal«, sagte sie.»Ich mu? zuruck zur Feier.«

Als sich die Tur hinter ihr geschlossen hatte, kam von Ron ein langer und lauter Pfiff.

»Ich dachte, es ware aus mit uns«, sagte er und griff nach einem Brot.

»Ich auch«, sagte Harry und bediente sich ebenfalls.

»Aber wir hatten doch wirklich unglaubliches Pech«, schmatzte Ron durch einen Mund voll Huhnchen und Schinken.»Fred und George mussen dieses Auto funf oder sechs Mal geflogen haben und kein Muggel hat die je gesehen.«Er schluckte und nahm einen weiteren gewaltigen Bissen.»Warum sind wir nicht durch die Absperrung gekommen?«

Harry zuckte die Achseln.»Von jetzt an mussen wir jedenfalls aufpassen«, sagte er und nahm einen kraftigen Schluck Kurbissaft.»Wunschte, wir konnten hoch zur Feier…«

»Sie wollte nicht, da? wir mit der Geschichte angeben«, sagte Ron weise.»Will nicht, da? die andern glauben, es sei eine tolle Sache, mit einem fliegenden Auto aufzutauchen.«

Als sie so viele Brote verspeist hatten, wie sie konnten (der Teller fullte sich immer wieder nach), standen sie auf und verlie?en das Buro. Sie gingen den vertrauten Weg zum Turm der Gryffindors hinauf. Im Schloss war es ruhig; die Feier schien voruber zu sein. Sie gingen an murmelnden Portrats und quietschenden Rustungen vorbei und stiegen die schmalen Steintreppen empor. Endlich erreichten sie den Korridor, an dessen Ende der geheime Eingang zum Gryffindor-Turm versteckt war – hinter dem Olgemalde einer sehr fetten Dame in einem rosa Seidenkleid.

»Passwort?«, fragte sie, als sie naher kamen.

»Ahm -«, sagte Harry.

Sie kannten das Passwort fur das neue Schuljahr nicht, weil sie noch keinen Vertrauensschuler der Gryffindors getroffen hatten. Doch fast im gleichen Moment nahte auch schon Hilfe; hinter sich horten sie Fu?getrappel, und als sie sich umdrehten, sahen sie Hermine auf sie zurennen.